Weihnachtsbesuch auf der Station 67

Ein regnerischer Tag in Hannover, ich bin ein wenig aufgeregt, besuche ich doch heute endlich die Station 67 der Medizinischen Hochschule Hannover. Unser Herzensprojekt, welches wir nun im vierten Jahr mit unserer Spende zu Weihnachten unterstützen. In jedem Jahr habe ich Kontakt mit Herrn Dr. Michael Sasse, dem leitenden Oberarzt, und, ich glaube, auch „Seele der Station“. Endlich lernen wir uns nach den vielen Telefonaten auch mal persönlich kennen. 

Am Haupteingang der Kinderklinik werde ich jedoch von Rut Wilde, Fachkraft für Intensivpflege und Anästhesie auf Station 67, empfangen. Rut schrieb mich im letzten Jahr an, Sie war neugierig, wer hinter der jährlichen kleinen Zuwendung steckt, so entstand ein netter Kontakt und Austausch. Schnell wurde ein Termin für einen Besuch auf der Station 67 gefunden. Da war ich nun, durfte die Station anschauen, meine Fragen stellen und sehr beeindruckt und demütig feststellen, was es bedeutet, gesund zu sein. 

Ein leuchtender Stern 

Auf der Station gibt es acht Zimmer, auf denen kleine und auch größere Patienten versorgt werden können. Belegt sind nur vier, warum? Die Antwort ist einfach und traurig zugleich, es gibt kein Personal. Na ja, Acht-Stunden-Schichten im Patientenzimmer mit schwerstkranken Kindern zu verbringen, passt bei den wenigsten in die Work Life Balance, und doch haben alle, die mir heute begegnen, ein Lächeln im Gesicht und sind freundlich. Manchmal bemerke ich bei allem Treiben auf der Station auch nachdenkliche, vielleicht ein wenig traurige, Gesichter. Im Stationszimmer leuchtet eine Lampe in Sternenform, dies erklärt vielleicht die nachdenklichen Gesichter? Rut erklärt mir „der Stern leuchtet für 24 Stunden, wenn ein Kind verstorben ist und den Kampf gegen seine Krankheit verloren hat“. An dieser Stelle der Erklärung muss ich schlucken, das geht auch nicht ohne ein paar traurige Gedanken an mir vorbei. Dass so etwas nicht ohne Spuren an den Kollegen und Kolleginnen der Station vorüber geht, kann ich mir gut vorstellen, auch weil die kleinen Patienten zum Teil für sehr lange Zeit Gast in der liebevoll gestalteten Station zu Gast sind.

Die Kinder liegen in farblich gestalteten Zimmern, um hier auch eine gewisse Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, sofern das auf einer Intensivstation möglich ist. An der Wand ist in jedem Zimmer eine Lautstärkeampel angebracht, hier leuchtet ein grünes Ohrsymbol, und wenn es im Patientenzimmer zu laut wird, verändert das Ohr seine Farbe über Orange in Rot. „Schmerzen, Stress und Angst“, erklärt mir Dr. Sasse, „sorgen in der intensivmedizinischen Behandlung zu Müdigkeit und ziehen dann weitere Probleme nach sich, die den Genesungsprozess erschweren und verhindern.“ Deshalb ist eine ruhige Atmosphäre enorm wichtig für die Gesundung der nicht nur kleinen Patienten. Auch erwachsene Patienten mit kindlichen Herzfehlern werden auf Station 67 immer wieder behandelt, da sich mit den komplexen kindlichen Herzfehlern in der Erwachsenen-Kardiologie keiner so richtig auskennt. 

Sparen an unserer Zukunft

Im Laufe der Führung erfahre ich, dass den Kinderintensivstationen das wenigste Geld im Verhältnis zu anderen Stationen zur Verfügung steht. Dabei sind die Kosten einer Kinderintensivstation schon alleine durch das Vorhalten der benötigten Materialien um ein Vielfaches höher. Müssen doch alle Materialien in den unterschiedlichsten Größen, von der Neugeborengröße bis zur Erwachsenengröße, jederzeit vorhanden sein. Immer mehr Kinderintensivstationen in Deutschland werden aus Kostengründen geschlossen. Aktuell im Süden der Republik, bekomme ich in einem Gespräch mit. In einer Stadt mit ca. 70.000 Einwohnern und einem noch größeren Einzugsgebiet wird die Kinderintensivstation geschlossen, aus Kostengründen, nicht wirtschaftlich genug. Da fehlen mir die Worte, werden doch in einer solchen Station unsere Zukunft, unsere Kinder versorgt, die in diesem Moment jede erdenkliche Hilfe brauchen. Hier wird an unserer Zukunft gespart!

Hoffnung und Hilfe geben

Eine tolle Geschichte ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit anderen Kliniken und Kinderintensivstationen in ganz Deutschland, um vielleicht den kleinen Patienten zu helfen die nicht in Hannover aufgenommen werden können. Täglich kommen Anfragen aus ganz Deutschland, die meisten müssen mangels Kapazität leider abgelehnt werden. Dr. Sasse erklärt, dass versucht wird, mittels Fortbildungen, Beratung und auch durch Telemedizin die Zusammenarbeit mit ärztlichen Kollegen an entfernten Krankenbetten zu verbessern. So können die entfernten Kollegen per Telemedizin angeleitet werden, um auch kranken Kindern in großer Entfernung die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Seit 2004 wird sogar der Aufbau einer Kinderintensivstation in Sri Lanka unterstützt. Seit der schrecklichen Tsunamikatastrophe ist dort mit Unterstützung und Hilfestellung der Station 67 ein Gebäude mit Intensivbereich, sieben Betten und Isoliermöglichkeit nach internationalem Standard geschaffen worden. Hier konnte bereits mehr als 1.000 kleinen Patienten geholfen werden, die sonst verstorben wären. Jährlich reist ein Team aus Ärzten und Pflegern nach Sri Lanka, um die Ausbildung der dortigen Kollegen voranzutreiben, und auch die Kollegen aus Sri Lanka sind regelmäßig zu Gast in Hannover, um neue Dinge für ihre tägliche Arbeit zu erlernen. Dies ist alles durch Spenden finanziert. 

Was Spenden möglich machen …

Rut erzählt weiter, nur durch Spenden wird es möglich, dass die Kinder auf Station kleine Geschenke bekommen, wenn sie einen Meilenstein gegen ihre Krankheit errungen haben, bei einer Untersuchung besonders tapfer waren, eine OP gut überstanden haben oder einfach den täglichen Piks mal wieder tapfer ertragen haben. Zu den kleinen Geschenken gibt es vom Pflegepersonal liebevoll gestaltete Urkunden. Eine weitere Besonderheit sind die vielen bunten Decken, Bettwäsche und Hemdchen, um ein wenig Normalität in den Klinikalltag zu bringen, auch diese werden durch Spenden finanziert. 

Am Ende meines Besuches komme ich an ein Zimmer, welches im Moment nicht belegt ist, hier wurde ein Raum des Abschieds geschaffen. Kinder die palliativ betreut werden, können hier mit ihren Lieben gemeinsam die letzte Reise antreten. Die Apparate sind in Schränken versteckt, ein Stimmungslicht unter der Decke sorgt für eine freundliche Atmosphäre, ein Bett als Nachtlager für die Eltern ist in der Wand versteckt, die Sitzgruppe lädt ein, gemeinsam als Familie noch etwas Zeit miteinander zu verbringen und ermöglicht so den kleinen sterbenden Patienten einen Abschied im Kreise ihrer Lieben. Einen Moment halte ich inne und denke ehrfürchtig daran, welche wichtige und wertvolle Arbeit hier von Dr. Sasse, Rut und ihren Kollegen und Kolleginnen tagtäglich geleistet wird. 

Heute erfahre ich im kurzen Gespräch mit Rut und einigen ihrer Kollegen und Kolleginnen auch, dass es an vielen Ecken und Enden auf der Station noch an Dingen fehlt. So ist im Abschiedsraum eine Wand noch ganz kahl, hier fehlt noch das passende Bild. Musikabspielgeräte in den Patientenzimmern fehlen, um den kleinen Patienten leise Musik vorzuspielen, zu ermöglichen ein Hörbuch zu hören oder vielleicht die gesprochenen Worte der entfernten Familie abzuspielen, und so die Einsamkeit ein bisschen weniger schlimm zu machen. Es gibt noch viele weitere Dinge, die benötigt werden, auch für das Personal, denn ohne dieses tolle Team auf der Station 67, ein jeder ist hier mit Herzblut dabei und gibt sein Bestes für das Leben der meist kleinen Patienten, wird immer mal eine kleine Motivation, sei es nur ein Obstkorb, ein Päckchen Kaffee oder ein Korb mit Süßigkeiten benötigt. 

Wir freuen uns auch in diesem Jahr, die tolle Arbeit der Station 67 und des Teams um Dr. Sasse, wieder mit unserer Spende zu unterstützen. Wir würden uns freuen, wenn sich noch der ein oder andere findet, der auch die Möglichkeit hat, die größte Kinderintensivstation in Deutschland zu unterstützen. Menschlichkeit, Empathie und Respekt haben hier, und das merke ich bei meinem Besuch in jeder Situation ganz deutlich, den allerhöchsten Stellenwert. 

Ich verabschiede mich von Dr. Sasse und Rut, die mich noch zur Tür der Kinderklinik begleitet, und freue mich darüber, diese tollen Menschen und ihre Arbeit kennen gelernt zu haben und bin dankbar, dass wir diese tolle Arbeit unterstützen können. 

An dieser Stelle bleibt mir nur noch, Ihnen und Ihren Lieben ein schönes und friedliches Weihnachtsfest zu wünschen – bleiben Sie gesund! 

Herzlichst

Ihre Eva Kannemeier